Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

Jerusalem. Die dritte Schlacht von Gaza. 
er Weltkrieg war an Jerusalem nicht spurlos vorübergegangen. Das 
äußere Bild der Stadt bot zwar keine Veränderung. Einer Krone 
gleich mit gezacktem kreneliertem Rande, überragt von dem Kuppel- 
jumel des „Felsendomes", so thront die Stadt Davids, „die hochgebaute 
Stadt", aus den kahlen, wildzerrissenen Höhen des Gebirges von Juda. 
Fest in sich abgeschlossen, umgürtet von den altersgrauen, noch unge- 
borstenen Mauern mit ihren Türmen und Bastionen, steil abfallend 
nach Osten, Süden und Westen in das Kidrontal und in die Talschlucht 
von Hinnom, wirkt die heilige Stadt auf den Fremdling schon von 
weitem mit einem geheimnisvollen Reiz, dem sich keiner entziehen kann. 
Aber das Leben und Treiben in den Halbdunkelen engen Gaffen 
der alten Stadt hatte während des Weltkrieges einen anderen Charakter. 
Zwar hockt wie immer neben dem dämmerig-dunkelen Eingang des 
Damaskustors der alte Fellach zur Seite des mit Orangen beladenen 
kleinen Grautiers, und mit unsäglich blasiertem Gesicht auf die Menge 
herabsehend, schiebt sich das mit Brennholz beladene Kamel durch das 
Gedränge, dichte Wolken weißen Kalkstaubes auf der nie gesprengten 
Straße aufwirbelnd. Was aber da um Orangen und Brennholz handelt 
und feilscht, sind nicht russische Pilger und Gläubige aus allen christlichen 
Ländern der Welt, sondern feldgraue deutsche Kraftfahrer und türkische 
Askari in khakifarbener Schirmmütze oder braunem Kalpak. 
Jerusalem ist eine Fremdenstadt. Seine jüdischen, mohamedani- 
schen und christlichen Bewohner wetteiferten während der Friedenszeit 
untereinander, die Pilger der ganzen Welt auszusaugen, um von ihren 
frommen Almosen zu leben. Das hat nun der Weltkrieg mit einemmal 
alles weggewischt, es ist unheimlich still geworden in den Gassen und 
Straßen der heiligen Stadt, Kleinhandel und Gewerbe stocken seit 
langem, und der Hunger klopft auch hier mit knöchernem Finger an die 
niedrigen dunkelen Türen der Innenstadt. Wie ein Schleier der Schwer- 
mut liegt es über Jerusalem, und wenn man die Klagemauer der Juden 
besucht, an der sie, der Urväter Überlieferung treu, über den Untergang 
ihrer Vaterstadt klagen und beten, dann drängt sich uns die Frage auf:
	        
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