Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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schleuniger Abtransport mittels bereitstehender Kraftwagen in Richtung 
Nazareth—Tiberias—Damaskus. Vorbereitende Maßnahmen mußten 
also getroffen werden. 
Ein Tag voller Mühe und körperlicher Arbeit unter der strahlenden 
Sonne des Mittelmeeres lag hinter mir, als ich mich abends im Kreise 
deutscher Landsleute unter duftendem Oleander- und Myrtenlaub beim 
Glas Wein einfand und wir beim Schein einer altrömischen, mit Olivenöl 
gespeisten Tonlampe die Ereignisse des Krieges besprachen, während 
draußen ein starkes Gewitter herunterging und der Karmel im Feuer 
der Blitze lohte, als fahre der Prophet Elias zum zweiten Male auf 
feurigem Wagen gen Himmel. — Dann eine stille Abendstunde wieder 
am Strand des Meeres. Neben mir hockt ein Beduine, ein echter Sohn 
der Wüste, und hält, das Gewehr im Arm, scharfe Küstenwacht. Ich 
wechsele mit ihm einige arabische Worte, wie damals mit meinem Suda- 
nesen in dem Steppenlager Afrikas, ich im braunen Khaki, er im weißen 
Burnus, das Bronzegesicht umrahmt von malerisch wehender Kephie, über 
uns der leuchtende Vollmond, hinter uns die ragende dunkle Mauer des 
heiligen Karmelberges. Wer möchte sich dem Eindruck solcher Stunde an 
solchem Orte verschließen? 
Die tosende Brandung des Meeres weckt mich am anderen Morgen: 
wir haben Vollmond, und in weißem Gischt überschüttet die Springflut 
mit sich überstürzenden, immer von neuem anstürmenden Wellen- 
bergen die Kaisermole. Noch schläft Haifa, da klingen zu mir durch das 
Naufchen der See die feierlichen Klänge des alten Chorals „Ein' feste 
Burg ist unser Gott". Es ist Sonntag, und vom nahen Turm der kleinen 
deutschen Dorfkirche blasen diesen Morgengruß die Brüder der Templer- 
gemeinde über die schlafenden Häuser und das nie ruhende Meer. Eben 
vergolden die ersten tastenden Strahlen der aufgehenden Sonne die 
Kuppel des alten Klosters und den Leuchtturm auf der Klippe des 
Karmel, als ob er aufflammte im natürlichen Feuer. Der Kraftwagen 
knattert vor der Tür. um mich aufzunehmen zu der Fahrt durch das 
Land der Philister, die Berge Samarias und Jubäas hinauf zu der hoch- 
gebauten Stadt Davids. Jerusalem. 
Kahl und von der Glut des südlichen Sommers verbrannt, liegt 
das Philisterland vor mir. In Spalten und Riffe zerborsten, lechzt es 
mit jeder Erdkrume nach dem befruchtenden Naß des Himmels. Eine 
unsäglich anstrengende Fahrt war es, auf Wegen, die keine Wege waren, 
durch Sandwüste, Dünen, Felsschluchten und ausgetrocknete Flußtäler 
iWadi). Wie oft der Wagen im Sande steckenblieb, wie oft wir aus dem
	        
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