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geworden" — sagt einfach die alte Altarinschrift, hier hat Jesus seine
Jugend verlebt, hier wurde er erzogen, dort an jenem Brunnen, an dem
«ben türkische Soldaten ihre Pferde tränken, hat ohne Zweifel das Kind
Jesus lange Jahre mit seiner Mutter Wasser geschöpft: dort in jener
Synagoge hatte er seine ersten Dispute mit den Pharisäern und Schrift-
gelehrten.
Der türkische Ortskommandant ließ es sich nicht nehmen, meinen
Adjutanten und mich zum kurzen Mahl in das kühle Refektorium der
Cafa nuova zu laden, wo ich die türkischen Sanitätsoffiziere zu meiner
Begrüßung versammelt antraf. Die einzelnen aufgetragenen Gänge,
Hammel und wieder Hammel, schwammen nach herkömmlichem Brauch
in Fett und Öl, das der Koch mir zu Ehren wohl noch besonders reichlich
bemessen hatte. Wie man früher zu Haus an festlicher Tafel wohl
Salzmandeln naschte, so standen neben unserem Gedeck noch kleine
Schüsseln mit trocken geröstetem Hammelgehirn und Hammelnieren, die
man wohl oder übel als höfliche Beigabe aufknuppern mußte. Doch weiter!
Die Fahrt nach Haifa geht durch leicht welliges Gelände der Land-
fchaft Galiläa. Mit Freude begrüße ich das blaue Meer, dessen grüner
Strand mit seinen ausgedehnten Palmenhainen geradezu tropisch wirkt.
Links der Fahrstraße wächst aus der Ebene Jesreel der langgestreckte
massige Bergrücken des Karmel heraus und zieht sich längs des Weges
Äem Meere zu. grün, felsig, mit Olivengärten bepflanzt.
Der Empfang des ungewohnten Kraftwagens in den engen Gaffen
des alten Haifa ist stürmisch: ich eile weiter zu der die westliche Vorstadt
'bildenden deutschen Kolonie: deutsche schwäbische Laute, blonde rot-
wangige Kinder, süddeutsche Bauerngefichter empfangen mich. Ich steige
-in dem deutschen „Gasthof Kraft" ab. Die deutsche Templerkolonie Haifa
ist eine paradiesische Oase in der türkischen Wüstenei. Das Ganze wie
ein kleines stilles Seebad mit süddeutschem Charakter, eine saubere
Straße, Häuser mit Vorgärten, in denen eine bunte Pracht subtropischer
Pflanzen sichtbar ist: Palmen. Zitronen. Orangen. Johannisbrot und
roter Pfeffer, die Häuser alle von hellem Sandstein, sauber wie die
'Menschen.
Rechts von mir brandet das tiefblaue Mittelmeer und fingt sein
ewiges Lied, überschattet von dem grünen Massiv des Karmel. der bis
hochhinauf mit hellen Einzelhäusern besetzt ist. Das ganze ein Bild
kräftigsten deutschen Lebens in den Subtropen! Die Leute, meist dem
Templerorden angehörig, haben sich ihr Deutschtum seit zwei Gene»
rationen voll erhalten, sind Ackerbauer und durchaus wohlhabend. Deut-
Mldlrim
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