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Palästina entgegen, und das Wort Iehovas klingt in seinem Innern:
„Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen: denn der Ort, darauf du
stehst, ist ein heilig Land."
Das Außere der alten Stadtteile verkörpert zwar auch heute noch
orientalisches Leben und Treiben in seiner reinsten Form, und bei einem
Gang durch die Halbdunkeln Basare mit ihren von weit hergebrachten
Schätzen und Raritäten sieht man sich wieder ohne große Phantasie in
die Zeiten der Märchen aus 1001 Nacht versetzt. Die Hauptstraße, Darb
el Mustakim, ohne Zweifel jene „Gasse, die da heißet die gerade", in der
das Haus des I u d a mit der Wohnung eines Mannes namens S a u l
von Tarsus, stand, wird damals kaum wesentlich anders ausgesehen haben
als heute, mit ihren klappernden Wasserverkäufern und schreienden
Fruchthändlern. Betrittst du die Omajaden-Moschee und läßt du den
ganzen gewaltigen Zauber dieses einst als Weltwunder berühmten
Baues auf dich einwirken, so fällt dein Auge auch auf ein zierliches, mit
Marmorfiligranarbeit geschmücktes Kenotaphium im Innern der weiten
Halle. „Iochanaanl" sagt dein arabischer Führer und macht mit der Hand
die Gebärde des HalsabschneidensI es ist das Grabmal Johannes
des Täufers, wenigstens soll nach der Überlieferung in ihm sein Haupt
beigesetzt sein.
Reich und üppig, fast unentwirrbar ist der Kranz, den die christliche
Legende seit 200V Jahren auch um Damaskus geschlungen hat. Ehern
aber und auf fester geschichtlicher Grundlage stehend, erhebt sich in diesem
Rankengewirr frommer Mythe die gewaltige Gestalt des Apostels ab,
der hier aus einem Saulus zum Paulus wurde.
Wer könnte, vor Damaskus Toren sich ergehend, der gewaltigen
ergreifenden Plastik der Bekehrungsgeschichte des Paulus sich entziehen?!
Der fromme Pilger sucht und findet an den heiligen Stätten all das,
woran sich fein naiv-kindlicher Glaube in ficht- und greifbarer Form
anzuklammern sucht. So mag er auch mit stiller, gläubiger Dank-
barkeit jene Stelle an der Stadtmauer von Damaskus besuchen, von der
Paulus den Korinthern erzählt: „Und ich ward in einem Korbe zum
Fenster durch die Mauer niedergelassen und entrann aus seinen
Händen."
Schon einmal führte mich der Weltkrieg mit den Spuren des Apostel
Paulus zusammen. Das war damals, als ich in Mazedonien auf der
Straße von Monastir im fechzigpferdigen Benzwagen nach Ochrida fuhr,
und mir sagte: hier wandelte Paulus damals zu Fuß, als er von Thessa-
lontch (Saloniki) kommend, sich nach Ochrida am albanischen Gebirge be¬