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Die Ernennung des Generals v. Hindenburg.
Der Kampf einer deutschen Minderheit gegen die von Süden und
Osten gleichzeitig gegen Ostpreußen erwarteten Russen war im Frieden
im Großen Generalstabe unter dem Grafen S ch l i e f f e n wie unter
seinem Nachfolger Gegenstand von Generalstabsreisen, Kriegsspielen und
Übungsaufgaben gewesen. Als einzig mögliche Lösung hatte sich immer
wieder ergeben, eine der russischen Armeen nach der anderen anzu-
greifen und zu schlagen. Das Gebiet der Masurischen Seen mit der
kleinen Sperrfestung Lützen spielte dabei eine wesentliche Rolle, denn es
Zwang die vorrückenden russischen Massen, sich zu trennen. Ohne kühnen
Wagemut und schnelles Zufassen, ohne zuversichtliche und zielsichere
Führung einerseits und höchste Leistungsfähigkeit und Angriffsfreudig-
feit der Truppe andererseits war die Lösung der Aufgabe aber, unmög-
sich. Ihre Gefahren hatte Graf Schlieffen schon im Jahre 1898 bei Be¬
sprechung einer Aufgabe mit den Worten gekennzeichnet: „Werden die
Deutschen in zweifelhaften Kämpfen durch die eine russische Armee fest-
-gehalten, so gewinnen die übrigen Zeit, ihrem Gegner in Flanke und
Rücken zu kommen und ihn durch ihre Übermacht zu erdrücken. Glaubte
daher der deutsche Oberkommandierende nicht, einen vollständigen Sieg
erfechten zu können, so tat er wohl daran, sich — so gut es ging — hin¬
ter die Weichsel zurückzuziehen und auf die Erfüllung seiner Aufgabe zu
Verzichten."
Im Sommer 1914 rechnete man damit, daß zunächst zwei russische
Armeen gegen Ostpreußen vorgehen würden, von denen jede für sich
allein der deutschen 8. Armee schon an Zahl überlegen sein werde. Man
erwartete von Süden die „Narew-Armee", von Osten die „Njemen-
Armee" unter Gen. v. Rennenkampf. Da die Rjemen-Armee zu-
erst ins Land einfiel, wandte sich Gen.Ob. v. P r i t t w i tz sofort gegen
diese. So stand er mit dreieinhalb Korps und der Hauptreserve von
Königsberg am 29. Aug. bei Gumbiunen in aussichtsreichem Angriffs-
kämpfe. Gen. v. S ch o l tz mit dem XX. A.K. und Landwehr, fer¬
ner Truppen aus den Weichselfestungen deckten inzwischen die Süd-
grenze der Provinz gegen die Narew-Armee.
Im Großen Hauptquartier zu Koblenz hatte man am
29. Aug. gute Nachrichten vom Stande des bei Gumbiunen entbrannten
Kampfes. Der Schlag gegen Rennenkampf schien zu gelingen; gleich-
zeitig lagen Nachrichten vom Siege in Lothringen vor, der deutsche
rechte Heeresflügel war in Brüssel eingerückt! — Da schlug — wie der
Witz aus heiterem Himmel — in der Nacht zum 21. Aug. die Meldung