Volltext: Loretto [17] (Band 17/1927)

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Luft durch das Metall, alle möglichen Geräusche weckend. Di« Pauke 
erbebt unter einem wohltemperierten Schlag, die Trommeln vollführen 
einen herrlichen Wirbel. Die Finger der Flötisten beugen und strecken 
sich in anmutiger Bewegung, und der Gewaltige legt, selbst ergriffen 
von den Wundern seines auf und nieder steigenden Stäbleins, den Kopf 
«in wenig zur'Seite, ob sein Ohr nicht irgendwo einen Mißton in diesem 
stimmungsvollen Einleitungsakkord erfasse. Aber es ist alles eitel Har¬ 
monie und Wohlklang. 
Keiner von den Etappenleuten hat es gesehn, wie eine Ordonnanz 
zu dem -Kompagnieführer getreten und, in dienstlicher Haltung vor ihm 
stehend, ihm einen Zettel überreicht. Aber fast alle von den Frontkriegern 
haben es bemerkt und beobachten nun den Kompagnieführer in einer 
jäh erwachten, leisen Besorgnis. Der mag wohl fühlen, wie alle Blicke 
auf ihn gerichtet find. Er schaut rasch auf den Zettel und wird ein wenig 
blässer noch als er schon vorher war. Im nächsten Augenblick aber dankt 
er dem Überbringer mit der Hand an der Mütze, steckt den Zettel in seine 
Rocktasche und wendet sich mit dem gleichgültigsten Gesicht von der Welt 
wieder der Musik zu, die eben von der Walküre zu den Meistersingern 
überzugehen im Begriff ist. 
Etliche von den Frontkriegern tuscheln miteinander. 
„Es ist nichts", meint einer zaghaft. 
„Er läßt sich nur nichts merken", sagt ein anderer. „Hast du nicht 
gesehen, wie blaß er auf einmal geworden ist?" 
„Ach was," unterbricht ein dritter, „es ist ja doch ganz gleichgültig 
. . . laßt uns lieber der Musik zuhören." 
Eben bricht mit einem wundervoll in die Länge gezogenen Schluß- 
akkord, der an die Lungen der Bläser die höchsten Anforderungen stellt, 
das Wagner'sche Potpourri ab. Die Etappenleute, wohl wissend, was sich 
schickt, klatschen Beifall, und das Gesicht des Gewaltigen verrät keine 
Abneigung dagegen. 
Die Frontkrieger denken, ob er jetzt etwas sagen wird, der Kom¬ 
pagnieführer? Aber der rührt sich nicht, sieht starr vor sich hin, als lausche 
er immer noch auf die Musik, obwohl sie doch längst schon verstummt ist. 
„Du wirst sehn . . meint der erste von ihnen. 
„Ach Quatsch," ereifert sich der zweite, „immer mußt du unken. Er 
würde doch wenigstens gleich den Feldwebel kommen lassen, wenn es 
Wirklich etwas wäre." 
„Könnt ihr denn euer Maulwerk nicht halten?" unterbricht der 
dritte, „eben hebt er den Taktstock wieder hoch."
	        
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