Volltext: Loretto [17] (Band 17/1927)

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unmittelbar hinter den vorderen Jnfanterielinien auf der Lorettohöhe, 
um jederzeit überraschende Angriffe des Gegners mit direktem Schuß ab- 
wehren zu können. 
Noch war es nicht Dezember, da begann es zu schneien. 
Das Wasser in den Gräben, von dem fortgesetzten Regen aufgeweicht 
und in Schlammnester verwandelt, gefror. Die Trichter bedeckten sich mit 
einer dünnen Eisschicht. Auf den Brustwehren häuften sich die Flocken 
handhoch. Der Wald von Bouvigny schmückte seine dürren Äste mit 
silbrig glitzernden, weißen Streifen. Selbst die eingestürzten Mauern 
von Notre Dame erhielten einen schmückenden Kranz aus Schneeflaum. 
Die Posten standen mit verklammten Fingern, die eiskalten Gewehr- 
läufe im Arme, die Augen geblendet durch das helle Geflimmer allüber- 
all, das beinahe weihnachtlich schon anmutete. Wenn dann ein harter 
Schlag von drüben, kaum siebenzig Meter entfernt, aufgellte über das 
befchneite Feld, wirbelten und stoben die Flocken wohl auf und voll- 
führten einen aufgeregten Tanz in der Luft. Aber die Granaten ließen 
nicht nach, das weiße über die Erde gebreitete Tuch stets aufs neue zu 
zerreißen. Sie sprangen mitten darauf, ohne zu fragen wo, und schnitten 
kreisrunde, schwarze Löcher hinein, die Ränder rings umsäumend mit 
grauem, schmutzigem Gebröckel. Und es bedurfte erst wieder der emsigen 
Arbeit der Schneeflocken, um den Schaden auszubessern. 
Selbst den Artilleristen an den sorgfältig verdeckten Geschützen 
schienen die Finger zu verklammen, denn es trat eine merkliche Ab- 
schwächung des alltäglichen Feuers ein. Die Kolonnenfahrer, die Arme 
umeinanderfchlagend hoch zu Roß, waren darüber am meisten erfreut, 
wenn fie ihre Munition mit dampfenden Pferden aus den Depots bei 
Givenchy durch die Schlammulde bis hin zu den Batterien in Feusr- 
stellung fuhren. Auch die Essenträger, die in Souchez und an der Zucker- 
sabrik, die Hände sich warm pustend und mit den Beinen aufstampfend, 
aus heißen Feldküchen nächtlich das Essen in ihre Kochgeschirre füllen 
ließen, um damit hinauszustapsen auf ausgetretenen Schneepfaden auf 
die Höhe . . . auch die Essenträger empfanden über das schwächer ge¬ 
wordene Feuer aufrichtige Genugtuung und wurden ein wenig — allzu 
früh noch — des näherrückenden Weihnachtsfestes teilhaftig. Nicht 
weniger die Pioniere, die weder durch Schnee noch durch Frost sich von 
ihrer Arbeit abhalten ließen und Nacht für Nacht auf ihren Schultern 
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