Volltext: Loretto [17] (Band 17/1927)

132 
hüpfen wie riesige Flattervögel über die Mauern, tanzen durch die 
Straßen, wirbeln blitzschnell in alle Winkel und werfen mit ihren 
zackigen Füßen alles um, was ihnen entgegen ist . . . 
Dort weiter hinten, getrennt von Ablain durch ein schwarzes Feld 
mit flammenden Punkten, eine blutig betupfte Wiese mit dunkeln Mohn- 
sträußen . . . dort weiter hinten wohl Carency. Da ist der Teufel mit 
seinen Gesellen an der Arbeit, einen großen, geräumigen Sarg zu 
fabrizieren. Die roten Feuerleiber der nackten Bande glimmen an allen 
Ecken und Enden, ihre Werkzeuge glitzern silbrig und gelb und grün. 
Und wenn der Lärm nicht wäre hier oben um Notre Dame, so ver¬ 
möchte man wohl das Klirren ihrer Hämmer und das Knirschen ihrer 
Sägen zu vernehmen . . . 
Souchez hier gerade im Rücken. Eine Riesenschar hat sich dort 
niedergelassen zu einem Freudenfest. Nun sind sie bei Nacht, trunken 
vom Branntwein und vom Lärm . . . nun find sie bei Nacht einander 
in die Haare geraten. Mit Wagendeichseln und schweren Eisenstangen 
schlagen sie aufeinander los, daß ganze Funkengarben von ihren 
Schädeln aufstieben. Hausgiebel reißen sie herunter, und Mauern zer- 
brechen vor ihrem betrunkenen Fußtritt. So wüten sie gegeneinander 
in sinnlosem Zorn und fassen sich zerrend bei ihren rot erglimmenden 
Haarschöpfen. Ihr Gebrüll freilich vernimmt man nicht, denn der Lärm 
hier oben frißt alles. . . 
Der Wald zwischen Souchez und Givenchy — er muß es sein, denn 
ein schwacher Nebelstreif umgibt sein schwarzes Viereck — der Wald ist 
bevölkert von einer Armee kleiner tückischer Kobolde, denen jeder Sinn 
für Ordnung und Vernunft abhanden gekommen. Sie rennen hin und 
her und schleudern Brandfackeln in das kümmerliche Gebüsch, das eben 
den saftstrotzenden Mai zu begrüßen begonnen. Das glimmt und glitzert 
und schwelt und sengt, daß es eine wahre Freude und Ausgelassenheit 
ist. Sie sägen heimlich die Baumstämme an und entfachen einen ge- 
waltigen Feuerschein nach Lausejungenmanier aus mitgeschleppten 
Feuerwerkskörpern, wenn so ein armer Baum sein vermaledeites Dasein 
in krachendem Hinschlagen aufgibt. Sie sind von einer Behendigkeit und 
Emsigkeit, die wahrhaftig einer besseren Sache würdig wären als dieses 
nächtlichen Unfugs. Hören kann man freilich nicht, welch' jämmerliche 
Katzenmusik sie auf allen möglichen Instrumenten vollführen und wie 
gellend sie aufkreischen, wenn sie einander zufällig begegnen oder der 
eine dem andern aus lauter Übermut den Hintern versengt. Denn der 
gewaltige Chor der Bässe hier oben auf der Höhe überdonnert jeglichen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.