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Der Kriegsrat in Rapallo.
kommandos angehalten werden. Selbst im neuen Armee-Hauptquartier
Treviso plünderten die Wachttruppen. Dort sammelten sich, nachdem die
Todesstrafe für Nichtmeldung angedroht war, etwa 2000 Offiziere.
Der Zusammenbruch der Jsonzosront hatte nicht nur in Italien
selber, sondern auch bei den übrigen Entente-Mächten die Heerführer
und Staatsmänner mit lebhafter Sorge erfüllt. Bereits in den letzten
Tagen des Oktober war die Entsendung einer französifch-englifchen Hilss-
armee beschlossen worden.
Am 6. November fand in Rapallo ein Kriegsrat statt, an dem u. a.
Lloyd George, Painlevs, Orlando, Sonnino sowie die
Generale F o ch und C a d o r n a teilnahmen. Sein wichtigstes Ergebnis
war die Bildung eines interalliierten, politischen Rates, dem für die
gesamte Westfront (einschl. Italien) ein militärisches Zentralkomitee an-
gegliedert wurde. In dieses Komitee, dem auch die Generale F o ch
(Frankreich) und Wilson (England) angehörten, entsandte Italien den
General C a d o r n a als seinen Vertreter. Dieser war damit seiner bis-
herigen Stellung als Generalissimus des italienischen Heeres enthoben,
an seine Stelle trat der noch verhältnismäßig junge Generalleutnant
Diaz. Cadorna nahm am 7. November mit bewegten Worten
Abschied von der Armee; er forderte sie eindringlich dazu auf, das
Vaterland auf dem Grappa, am Piave und auf dem Montello zu
verteidigen.
Seine Mahnungen fielen auf einen guten Boden und hatten vollen
Erfolg. Gestützt auf eine Regierung, für welche sich in dieser tiefen Not
des Landes die geeigneten Männer zur Verfügung stellten, vermochte
auch die neue Heeresleitung in verhältnismäßig kurzer Zeit die Armee
aus der Tiefe des ungeheuren Zusammenbruchs wieder emporzuführen
und ihr das verlorene Selbstvertrauen zurückzugeben. Gerade in dieser
letzten Hinsicht war die Unterstützung der Entente von außerordentlicher
Bedeutung.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die sehr geschickte Durch-
führung des Rückzuges vom Tagliamento bis zum Piave sowie der
Neuaufbau der Front noch ausschließlich das Werk Cadornas sind,
der hier in der gewaltigen Katastrophe unzweifelhaft bedeutende
Feldherrneigenschaften bewiesen hat. Trotz der Größe des Unglückes
behielt er Ruhe, klare Besonnenheit und das rechts Maß für
das Erreichbare. Ihm hat Italien den zweifellos richtigen Entschluß zu
danken, den einmal notwendig gewordenen Rückzug bis hinter den
Piave durchzuführen und nicht bereits am Tagliamento die neue Wider-