Volltext: Ypern 1914 [10] (Band 10/1925)

Aufmarsch. 
m Nachmittage des 9. Oktober 1914 läuteten 
in ganz Deutschland die Glocken. Sie schwan- 
gen ihr Lied über das Häusermeer der 
Hauptstadt, sie sandten weithin ihre verklin- 
genden Wellen über die Nordsee, sie fingen 
sich im Widerhall der Steilwände am Fuß 
der Alpen, sie wanderten über den aushor- 
chenden Rhein. Mit dem Rauschen der Tan- 
nen im Schwarzwald vermischte sich ihr Ge- 
sang wie mit dem leisen Wehen in den 
Buchenkronen auf Rügen. 
Antwerpen gefallen! 
Die Übergabe der bedrängten Festung war durch die Unterschrift der 
aus der Stadt gesandten Abordnung und des Angreifergenerals von 
B e f e l e r vollzogen. Auf dem Rathaus wehte die deutsche Kriegsflagge. 
Mit blumengeschmückten Gewehren strebten die Marschkolonnen der 
deutschen Infanterie aus der Linie der zertrümmerten Forts und Feld- 
stellungen von Süden und Südosten in die Stadt. In den Forts pferch- 
ten sich die Gefangenen. Der brüllende Orkan des Geschützfeuers war 
aus dem Weichbild gewichen und verklang mit dem Abend gegen Westen, 
wo die Mehrzahl der belgischen Verteidiger in guter Ordnung und voller 
Grimm über den Verlust der für uneinnehmbar gehaltenen Festung, des 
letzten Bollwerks ihres unglücklichen Landes, unter Nachhutgeplänkel mit 
deutscher Kavallerie abmarschierte. 
Zwölf Tage hatte der Ansturm der Belagerer gedauert. Der ur- 
sprüngliche Plan, die Stadt von Westen, Süden und Osten abzuschließen
	        
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