Volltext: Ypern 1914 [10] (Band 10/1925)

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kommen. Die gefährliche Lage bei den 206ern ist überwunden. Der 
Franzose wagt diesseits des Kanals keine Bewegung mehr. Was sich 
zeigt, wird niedergeschossen. Über dem Wasser des Kanals kreuzt sich 
der rasselnde Lärm der Schlacht. 
Eine Anzahl feindlicher Geschütze steht herrenlos diesseits des Kanals 
zwischen den klirrenden Fronten. Vergeblich versuchen die Freiwilligen, 
sie zu bergen. Mit rasendem Schnellfeuer deckt der Feind vom anderen 
Ufer sein Eigentum. Die Artilleristen liegen niedergeschossen umher. 
Stumm starren die Mäuler der Rohre gegen die Angreifer. 
Auf dem linken Flügel der Brigade Diringshofen und bei 
der linken Nachbarbrigade scheitern immer neue Angriffe unter schwer- 
sten Verlusten. Schon sind Hauptmann Roedenbeck und Offizier- 
ftellvertreter Zabel gefallen. Oberleutnant T e l l k a m p f ist durch 
Bauchschuß schwer verwundet. Vizefeldwebel Weiß von den 207era: 
führt den Befehl. 
Der rechte Flügel der 5. Referve-Division hängt stark zurück. Offizier- 
ftellvertreter Seyffahrt auf dem äußersten linken Flügel der 44.Re¬ 
serve-Division kommt darum nicht vorwärts. Aber die führerlose Ab- 
teilung Roedenbeck und Vizefeldwebel Weiß mit feinen Leuten 
greifen abermals an. Durch ein Gewirr von Gräben und Hindernissen 
wühlen sich die Angreifer etwa 600 Meter vor. Ihre Linie verläuft jetzt 
senkrecht zur Stellung der 5.Reserve-Division. 70 Gefangene werden 
gemacht. Aber am Nachmittag zwingt ein rasendes Artilleriefeuer die 
Reste der Stürmer zum Rückzug aus die alten Stellungen . . . 
Unvermindert brüllt auf der ganzen Front die Schlacht . . . 
Wer das Lied zuerst angestimmt? An welcher Stelle, zu welcher 
Stunde es gesungen wurde? Ob es ein Trupp gesungen, den der Feind 
von allen Seiten eingekreist, ein Trupp, der durch die Gewalt des Liedes 
den heranschleichenden Tod bannen wollte wie seinerzeit Volker von 
Alzey in König Etzels Burg? Ob es ein Trupp sang, der, den fliehenden 
Feind vor sich, plötzlich von der erhabenen Größe des Augenblicks über- 
kommen wurde? 
Niemand weiß es. Die furchtbare Erregung verschlang alles. Viel- 
leicht daß der Tod auch den zerschmettert, der das Lied angestimmt. 
Vielleicht daß er noch irgendwo lebt . . . 
Aus der tiefen Not des Sterbens rang sich das Lied gleich einem 
Choral, schwoll über das zerrissene Feld, hob den Kopf der Verwundeter?
	        
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