Volltext: Ypern 1914 [10] (Band 10/1925)

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bis an das Straßenkreuz im Südwesten von Vroodjeinde vor und be- 
mächtigte sich einer Reihe von Gehöften in der Richtung auf Zonnebeke. 
Dabei gelang der 1. Kompagnie unter Leutnant M a t t e n k l o t t ein 
fetter Fang. Ohne einen einzigen Schuß fielen ihr, gänzlich verwirrt 
und durch das nächtliche Erscheinen der Deutschen völlig überrumpelt, 
115 Tommys mit 3 Offizieren in die Hände. Die reiche Beute erregte 
allgemeine Begeisterung. Die Engländer knirschten vor Wut, daß sie sich 
so vor den lächerlichen Germans blamiert, fanden sich aber auch hier 
mit der ihnen eigenen Gelassenheit und Anpassungsfähigkeit schnell in 
ihre neue Rolle. Das I. Bataillon traf durch Vortreiben starker Siche- 
rungen in Richtung nach Zonnebeke und Becelaere Vorsorge, daß sich 
das Mißgeschick der Engländer nicht an ihm selbst wiederholte. 
Gegen Morgen gab es noch ein großes Halloh, als drei schwer- 
beladene englische Vagagewagen in gänzlicher Unkenntnis der Lage un- 
vermutet mit langen Gesichtern der Bemannung in den deutschen Linien 
landeten. Die Nacht verlief mit wechselnder Beschießung, sehr unange- 
nehm machten sich Gewehrfeuerüberfälle aus füdwestlicher Richtung 
bemerkbar. 
Ein klarer Oktoberhimmel wölbte sich über dem unruhigen, in 
hundert Feuern schillernden Schlachtfeld. In schreckhafter Wildheit be- 
gannen hier und da die Maschinengewehre ihr Gebell. Dann war wohl 
eine nächtliche Patrouille dem wachsamen Gegner zu nahe gekommen. Die 
Kompagnien hatten sich in Erdlöchern und Höfen eingenistet, umhüllten 
sich mit Zeltbahnen und Decken, brannten auch wohl heimlich ein Feuer» 
chen an und schmorten irgendeinen eßbaren Raub. Manch einer hockte 
zusammengekauert in einer Ecke und konnte weder Schlaf noch Hunger 
finden, weil er derer gedachte, die auf dem Feld verstreut draußen lagen. 
Ich hatt' einen Kameraden. . . 
* * * 
So endete jener denkwürdige 21. Oktober vor Langemarck und bei 
Broodseinde. Schwere Rückschläge und gefährliche Gefechtskriien ent¬ 
standen wenige hundert Meter getrennt von übermütigen Handstreichen. 
Tiefste Niedergeschlagenheit und die entsetzliche Dumpfheit des kaum über- 
wundenen Todes grenzten dicht an ungebrochene Siegeszuversicht und 
die jauchzende Hingebung an den befreienden Sturmangriff. Wie Tote 
und Lebende in Reihen vermengt lagen, so vereinten sich Sieg und 
Niederlage, Angriff und Rückzug, Verfolgung und Flucht. Die jungen
	        
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