Volltext: Ypern 1914 [10] (Band 10/1925)

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der ersten Dekade zwangen der Führung die Erkenntnis neuer taktischer 
Formen auf. Der Frontalsturm versagte angesichts der verhundertfachten 
Feuerwirkung der Kriegsmaschinen. Der Aufwand an Menschenleben 
entsprach nicht dem erreichten Ziel. Heute, wo wir wissen, daß vor Vpern 
im unzähmbaren Drang zur raschen Entscheidung die Blüte unserer 
Jugend sich opferte, deren Fehlen später verhängnisvoll für den inneren 
Gehalt der Armee wurde, liegt die entsetzliche Tragik klar vor aller 
Augen. Es hat keinen Sinn, in nachträglicher Erkenntnis eine Schuld 
und ein Versäumnis herauszufinden. Das Recht verlangt die Beurteilung 
einer Tat nach den im Zeitpunkt des Geschehens geltenden Verhältnissen. 
Es bleibt uns nur übrig, in Trauer uns zu verneigen vor dem heroischen 
Opfer unserer Besten und ihren Tod als Vermächtnis in unsere Herzen 
einzuschließen. Gedenket ihrer in ihrem Geiste I . . . 
Als die jungen Regimenter singend durch Belgien marschierten, 
hatten sie von den englischen Landtruppen nur die Vorstellung, die Natur 
habe sie mit so langen Beinen ausgerüstet, damit sie schneller davonlaufen 
könnten. Die Unterichätzung des Gegners ist ein Erbfehler der Deutschen, 
jugendlicher Übermut tat das übrige. „Engländerfang" war der fach- 
mäßige Ausdruck für den bevorstehenden Feldzug. Daß bis spätestens 
Weihnachten alles beendet war, schien Gewißheit. Der Begriff des 
Söldnerheeres war dem durch die allgemeine Wehrpflicht erzogenen 
Deutschen so fremd, daß er sich kaum vorstellen konnte, wie eine solche 
Truppe für einige Pence pro Tag für ihr Vaterland tapfer kämpfen 
konnte. Witze wurden gerissen und Zukunftspläne geschmiedet. Ohne 
einen erbeuteten Tennisschläger wollen die wenigsten nach Hause 
kommen. Es gab auch ältere Offiziere und erfahrene Leute, die sich ihre 
eigenen Gedanken machten und denen der Kampfwert englischer Truppen 
aus Kolonialfeldzügen geläufig war. Teils mochten sie die allgemeine 
Stimmung durch Unken nicht beeinträchtigen, teils hörte man nicht auf 
sie. Es hat nur wenige Stunden gedauert, um die Regimenter durch 
eine blutige Unterweisung eines anderen zu belehren. Die englischen 
Kampfverbände, die gleich zu Beginn des Krieges auf das Festland 
hinübergeworfen wurden, rekrutierten sich aus Formationen, die fast 
alle schon in den Kolonien Verwendung gefunden harten. Die Aus- 
nutzung des Geländes im Angriff und in der Verteidigung, die ZuHilfe- 
nähme künstlicher Deckungen und die Irreführung des Gegners durch 
falsche Bewegungen, die kalte Ruhe im Gefecht und das überlegte Ab- 
schießen des Gegners aus unsichtbarer Stellung waren Begriffe, die 
ihnen in Fleisch und Blut übergegangen waren. Mit einer Zähigkeit
	        
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