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Verwandtschaft und allen armen Seelen am Montage nach St.
Nicolai einen Jahrtag mit Vigil, Grabgang, Placebo, einem
gesungenen Seelenamte, vier gesprochenen Messen und Gebete im
Todtenbriefe begehen soll *).
So schwierig auch die Verhältnisse waren, während welcher
Propst Johann dem Stifte vorstand, so war es seiner unermüde-
ten Sorgfalt, mit welcher er das Wohl seines Hauses zu fördern
beflissen war, dennoch gelungen, nicht nur die von seinem Vor¬
fuhren übernommenen Schulden gänzlich abzutragen, die Gebäude,
deren viele sehr herabgekommen waren, wiederum in bessern Stand
zu setzen und mehrere neue Bauten aufzuführen, sondern auch
einen bessern Geist in seinen Mitbrüdern zu erwecken, die locker
gewordene Disciplin wiederum herzustellen und den Gottesdienst
durch Ausschmückung der Kirche und Anschaffung von Paramenten
mit höherem Glanze zu umgeben. Leider raffte diesen vortreff¬
lichen Propst, von dem man in Wahrheit sagen kann, daß er
dem Stifte von Gott gesandt worden, nach vorausgegangener
längerer Krankheit schon am 16. April 1493 der Tod hinweg
zum größten Leidwesen der Chorherren, die unter Gebet und
Thränen sein Sterbelager umgaben.
Hieronymus I. Stettner, der seitherige Kellermeister,
welcher nach dem Ableben des Propstes Johann am 4. Mai zu
dessen Nachfolger (1493 — 1495) erwählt und am 18. desselben
Monats bestätigt wurde, fuhr ganz im Geiste seines Vorgängers
fort das Stift zu leiten. Zur besseren Wahrung der Rechte und
Besitzungen ließ er gleich nach dem Antritte seines Amtes von
den wichtigsten Urkunden und Briefen Abschriften verfassen und
selbe durch den Bischof Christoph von Passau am 9. September des
nämlichen Jahres noch vidimiren. Von Kaiser Marmilian') ließ er
sich in Wien am 19. December 1493 den Vogteibries dessen Vaters
(gegeben zu Neustadt 1459) über die dem Stifte gehörenden Pfarren
und Zehente in der Waldmark, und am 27. desselben Monats die
von Leopold VII. 1203 erhaltene Mauthfreiheit bestätigen2).
') Originale.
2) Authentische Abschrift.