Volltext: Der josefinische Klostersturm im Land ob der Enns

Zum Frieden. Abänderungen in theol. Studien und in geistlicher Erziehung. 441 
Die erste wichtige kirchliche Entscheidung Leopolds II. war die Aufhebung 
der Generalseminare. 
Die Generalseminare waren das größte Unglück, das Josef über die Kirche in 
seinen Staaten gebracht hatte; bezeichnend genug, daß jenes in Löwen ihm den Bürger¬ 
krieg und den Verlust Belgiens brachte. Es soll nicht oft und oft Gesagtes wiederholt, 
nur für das Land ob der Enns hierüber dokumentarisch berichtet werden: 
Bischof Gall hat sich seine Priester aus dem Generalseminar gelobt. 
Was den Klöstern an der Jungmannschaft aus dem Geist des Generalseminars 
heranwuchs, dafür wurde der Regierungskommissär Eybel bei der Jnventierung des 
Stiftes Wilhering (S. 317) Kronzeuge. 
Der Abt von Lambach wendete sich in einem Schreiben vom 14. September 
1786 an den Bischof um Abhilfe gelegentlich der Visitation: Von einer Partei meist 
junger und der Ordnung nach letzter Priester droht der geistlichen Kommunität Ver¬ 
wüstung; unlängst aus dem Noviziat „entkommene" junge Religiösen lassen die Tonsur 
verwachsen, tragen samtene Kopfmützen, seidene Halsbinden, äußerst kurze, buntfärbige 
Reisekleider, vom frühen Morgen an, sogar beim Altar Stiefel, also die neueste Mode 
und weltliche Sitte zum Hohngelüchter der von ihnen verlassenen Welt. Sie gehen 
spazieren halbe Tage lang bis in den späten Abend und machen Reisen auf unbestimmte 
Zeit ohne Vorwissen des Prälaten, bloß auf Grund eines militärisch an Pater Prior 
abgeschickten Meldzettels. Auf Vorwürfe und Belehrungen kommen sie mit banalen 
Ausflüchten und berufen sich auf die Abneigung des Kaisers gegen klösterliche Ordnung. 
Und noch ein Zeugnis! Ein Kanzleipraktikant in Leonstein schreibt, an einen 
Stiftskapitular: Ich las neulich eine richtige Beschreibung von denen Einrichtungen im 
Generalseminar zu Wien, welche ein wirkliches Mitglied dieser geistlichen Pflanzschule 
mir mitteilte: Beim Eintritt wurde jedem die Freiheit zu denken und zu handeln auf 
bas liebevollste angekündet. Die tägliche Ordnung ist folgende: An den Studientagen 
wird man um 5 Uhr geweckt, wo man um 3/*6 zum Morgengebet und um 6 Uhr zur 
Messe geht. Darauf folgen Studien bis 8 Uhr; von 8 bis 10 Uhr Kollegien, hierauf 
Studien bis 3/212 Uhr, wo man speist. Um 2 Uhr fangen wiederum Kollegien an, bis 4 Uhr, 
dann Studien bis 7 Uhr. An Erholungstagen wird um 6 Uhr aufgeweckt, um 7 Uhr 
bie Messe gehört, am Vor- und Nachmittag muß man spazieren gehen; solche Tage sind 
3 in der Woche. Die Sonntagsandacht besteht in einer Messe und nachmittags in der 
Allerheiligen-Litanei, welche von den Zöglingen gebetet wird. Dies lautet nun bis auf 
die Sonntagandacht und bis auf jenes, daß man die meiste Zeit auf Erlernung der 
orientalischen Sprachen verwenden muß, ziemlich gut. Das tolerante Betragen ihrer 
Vorgesetzten erlaubt ihnen Besuche von allen Gattungen, auch von Frauenzimmern ohne 
Unterschied aufzunehmen, solche wieder abzustatten u. s. w. Mit der Diskretion geht es 
so weit, daß keiner zum Beichten oder zur Kommunion angehalten wird. Das immer¬ 
währende Auslaufen hat schon sosehr überhand genommen, daß der Herr Kardinal sich 
gezwungen sah selbes wenigstens den Ordensleuten zu untersagen. In Anbetracht dieser 
Vorteile sind die aufstoßenden Ungemüchlichkeiten, nämlich: zu wenig zu essen zu haben, 
den Durst mit mattem Wasser zu löschen, 45 Personen in einem Zimmer beisammen zu 
wohnen, selbst sich zu barbieren u. dgl. für nichts zu achten.-— „Wo ist die so notwendige 
geistige Übung? die Ruhe, die Einsamkeit, die Aneiferung zur Tugend? muß man selbe 
vielleicht bei Frauenzimmern oder in weltlicher Gesellschaft suchen? Wenn doch wenig¬ 
stens nach dem Austritt Hoffnung wäre sein Gemüt im Kloster versammeln zu können! 
Allein, da heißt es hinaus in die Seelsorge, ohne recht fürbereitet zu sein, und man 
wird das Kloster nur als ein Reisender von ferne sehen. Ich wüßte nicht, wenn ich 
heute . . . berufen würde, zu was ich mich entschließen soll, so groß als auch mein Ver¬ 
langen nach dem Kloster ist." Und der Briefsteller unterzeichnet anonym mit dem Vers 
Aufhebung 
der General- 
seminare- 
l
	        
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