Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

Als Generalkonsul mit politischen Agenden, sozusagen Gesandter, 
fungierte Baron Burian, dessen Ministerkollege ich 25 Jahre später 
werden sollte. Ich konnte ihn damals nur flüchtig sprechen, da er 
schon zu jener Zeit ein sehr zugeknöpfter, großes Selbstbewußtsein 
zur Schau tragender Herr war. 
Nach Nisch zurückgekehrt, wohnte ich einer Militärparade bei, die 
einen günstigen Eindruck machte. Dagegen traten die Spaltungen 
im Offizierskorps fast offensichtlich zutage. Dabei behielt die unserer 
Monarchie feindselige Richtung zweifellos Oberwasser. Vor der Ab 
reise geschah es mir, daß ich — die Bahnhofseinrichtungen nach 
prüfend — das Abfahrtssignal verpaßte. Der Zug fuhr mir vor der 
Nase davon und mit ihm mein Reisegepäck, in dem wichtige, jeden 
falls aber verfängliche Notizen verstaut waren. Ich zwang mich zur 
Ruhe, bat den Stationschef, meine Koffer in Alexinac hinausbug 
sieren zu lassen und nahm einen Wagen, um diese Station zu erreichen. 
Die Höllenqualen, die ich während der zweistündigen Bahrt aus 
stand, waren eine verdiente, aber harte Strafe für meine Unvorsich 
tigkeit. Eine Zentnerlast fiel mir vom Herzen, als ich mein Gepäck 
unversehrt in Empfang nahm. 
In Alexinac fanden gerade die Skupschtinawahlen statt. Die 
austrophile Fortschrittspartei mit Garasanin an der Spitze war ge 
stürzt, und die russophile radikale Risticpartei ans Ruder gelangt. 
Darob ein Radau, vom Offizierskorps des dort stationierten Kaval 
lerieregiments kräftigst unterstützt. Eine armselige Wiener Damen 
kapelle mußte buchstäblich die ganze Nacht die russische National 
hymne spielen, die von nicht endenwollendem Ziviogebrülle begleitet 
wurde. Eine Huldigung, die auch mir persönlich mit galt, da die 
johlenden Herren mich als ,,Svaba“ erkannt hatten. 
In Belgrad selbst ging es kunterbunt zu. Garasanin, vom Pöbel 
bedroht, scfioß aus dem Fenster, und selbst der König fand es 
geraten, den Konak nicht zu verlassen. Von jenem Moment an hatten 
wir in Serbien ausgespielt. Das Treiben gegen die Monarchie nahm 
seinen Anfang, kristallisierte sich nach der Ermordung der Obrenovic 
in feste Formen und leitete schließlich in den Weltkrieg hinüber. 
Nach Wien zurückgekehrt, öffnete ich gar nicht erst mein Reise 
portefeuille, sondern fuhr gleich weiter nach Berlin, wohin mich mein 
militärisches Herz schon lange gezogen. Ich kam gerade zurecht, um 
der Frühjahrsparade des Gardekorps beizuwohnen. Sie war wohl das 
glänzendste militärische Schauspiel, das man in jener Zeit sehen 
konnte. Die wahrhaft strahlenden Truppen mit ihrer völlig stupenden 
Präzision, offensichtlich von der begeisterten Bewunderung einer un 
übersehbaren Zuschauermenge getragen. Der alte, glorienumstrahlte
	        
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