Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

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In der zweiten Hälfte der 40er Jahre begannen die politischen 
Kämpfe. Es war, als ob die Völker Europas erwacht wären. In Un 
garn führten die Ereignisse zunächst zur Schaffung der später so oft 
genannten 1848 er Gesetze, wodurch dieses Eand zu einem selbstän 
digen Staatswesen heranwuchs. Da aber diese staatsrechtliche Ge 
staltung von der Wiener Regierung, respektive der Krone, eigentlich 
doch nur erpreßt worden war, und die ultrachauvinistischen Elemente 
Ungarns die vollkommene Eostrennung von Österreich tendierten, 
konnten auch diese 1848 er Gesetze weder Ruhe noch Ordnung bringen. 
Überdies zeitigte der latent geführte Krieg gegen die Serben in der 
Bacska die kroatische Erhebung, und die Wiener Oktoberereignisse 
ließen Ungarn zu offenem Kriege gegen Österreich schreiten. Es 
kam zu den zahlreichen, mit wechselndem Glück geführten Winter 
kämpfen, während welchen Windischgraetz Ofenpest einnahm, aber 
wieder aufgeben und vor dem mittlerweile organisierten und auf den 
Stand von 200 000 Mann gebrachten Insurrektionsheer den Rückzug 
antreten mußte. 
Kossuth brach nun gegen den Rat des führenden Feldherrn, des 
bedeutenden, vielfach verkannten und unrecht geschmähten Goer- 
gey, alle Brücken mit der Vergangenheit ab und erklärte am 14. April 
1849 in der reformierten Kirche zu Debreczin die Dynastie Habsburg 
der Krone Ungarns verlustig. 
Dadurch kam die Aktion auf eine andere Plattform. Die Ungarn, 
die bishin angeblich für ihre durch König Ferdinand V. (Kaiser Fer 
dinand I.) beschworenen Gesetze, also eigentlich für diesen Herrscher 
gekämpft hatten, rissen alle Freiheiten vollster Volkssouveränität an 
sich. Dadurch gaben sie aber auch der abgesetzten Dynastie die 
Bewegungsfreiheit zurück, so daß auch sie nicht mehr durch Eide 
gebunden war. Der weitere Kampf war daher — vom dynastischen 
Standpunkt aus — wieder nur als ein Eroberungskrieg gegen ein 
Volk aufzufassen, das sich als ein der Dynastie fremdes und feind 
seliges erklärt hatte. Und da dieser Krieg mit der vollen Nieder 
werfung Ungarns endete, konnte die Dynastie füglich das ,,Recht 
der Eroberung** geltend machen. Daß diese Eroberung nur mit Hilfe 
Rußlands gelang, ist für den Rechtsstandpunkt irrelevant, weil die 
Russen nur als „Hilfstruppen“ des österreichischen Kaisers, und nicht 
als die einer dritten kriegführenden Macht gelten konnten. Das 
prägte sich schon dadurch aus, daß Rußland an Ungarn weder einen 
Krieg erklärte, noch mit ihm Frieden schloß. 
Darauf gründete sich nun die von der österreichischen Regierung 
(Bach) geltend gemachte Theorie der „Rechtsverwirkung“, wonach 
sich Ungarn durch die Tat vom 14. April 1849 un( i die darauf er
	        
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