Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

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mee, Dynastie, oberster Kriegsherr — darin vereinten sich meine 
besten Gefühle und schufen eine Religion, die mich völlig fanatisch 
beherrschte. Diese von Wahrheitstreue durchtränkten Blätter lassen 
erkennen, wie diese religiöse Verehrung im Keime schon bestand, 
wie sie sorgfältig gehegt und gepflegt mein ganzes heben durchzog, 
trotz so mancher Enttäuschung aufrecht blieb und mich meine 
besten Kräfte auch dann einsetzen hieß, wenn es gegen mein per 
sönliches Interesse, oft auch gegen meine bessere Einsicht verstieß. 
Und dafür, nach 44 Jahren unerschütterlicher Treue und völlig 
fanatischer Hingabe, wurde mir nun solches zuteil! 
Ist es da nicht natürlich, daß mich tiefste Erbitterung erfaßte? 
Doch im steten Gedenken und Betrachten von Ursache und Wir 
kung wurde mir das eine klar, daß ich nicht der erste war, dem in 
unserem armen, versunkenen Vaterlande solch herbes Weh wider 
fuhr. Ein roter Faden ist's, der sich da durch das System und durch 
die Jahrhunderte zog. Kann es bloß ein Zufall sein, daß die drei 
größten Dichter deutschen Stammes intuitiv gerade in dieser Rich 
tung die Motive zu ihren erschütternden tragischen Dichtungen ge 
holt? Stammt der berühmte Ausspruch: „Dank vom Haus Öster 
reich!“ nicht aus tiefster Erkenntnis der Dinge und Menschen? Hatte 
Goethe in „Egmont“ nicht eine Heldengestalt gezeichnet, dem jene 
eigenartig finstere Macht zum Verderben wurde, die von derselben 
Quelle ausstrahlte, ganz gleich, ob ihre Verästelungen von Madrid, 
Aachen, Augsburg oder Wien ausgingen? Und hatte nicht der bis 
zur Selbstverleugnung loyale Grillparzer seine schweren patriotischen 
Bekümmernisse um des alten Reiches Bestand in tiefst durchdachte 
Gleichnisse gekleidet ? 
Und dabei waren die obersten Potenzen oft gar nicht die eigent 
lichen Schuldigen. Aber die zum düstern System gewordene Neben 
regierung war's. Die Politik der Adjutanten, der Soutanen und Damen, 
der Kamarilla überhaupt. Sie erhob nur jene auf den Schild, die aus 
Schwäche oder Opportunismus, offen oder geheim, eines Sinnes mit 
ihr waren. Sie kannte immer nur Persönliches, niemals Sachliches. 
Darum verwünsche ich dieses System, nicht weil es mich persön 
lich ins Mark getroffen, sondern weil es namenloses Unglück* über 
Menschen und Völker des entschwundenen Vaterlandes gebracht hat!
	        
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