Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

405 
Schaft war viel zn oberflächlich, als daß er mich aus purer 
Freundschaft sofort aufgesucht hätte. Ich nahm keinen Anstand, 
den wahren Sachverhalt allüberall deutlich durchschimmern zu 
lassen. Das Komödienspiel liegt mir nicht, und ich hatte persön 
lich auch keinen Grund, mich mit Mysterien und Unwahrheiten zu 
drapieren. 
Am ersten Nachmittag suchte ich den Chef der Militärkanzlei, 
General der Infanterie Baron Bolfras, auf. Er erklärte mir bestimmt, 
über das Motiv meiner Amovierung absolut nichts Näheres zu wissen. 
Ich informierte Bolfras über die vornehmlichsten Feldzugsereignisse, 
von denen er übrigens schon Tage zuvor durch Oberst von Soos 
unterrichtet worden war. Meine Informationen bezogen sich sowohl 
auf die tatsächlichen Ergebnisse als auf Führungsdetails und persön 
liche Eingriffe, die ich in objektiver, doch auch rückhaltloser Weise 
darlegte. Ich kam auf unsere schweren Verluste zu sprechen, die zu 
gutem Teil durch die Inferiorität unserer Artillerie bedingt waren. 
Auf meine Bemerkung, wie sich denn das Verhältnis erst gestaltet 
hätte, wenn ich als Minister nicht die Aufstellung von hundert schweren 
und leichten Batterien durchgepreßt hätte, bekam ich von einer später 
hinzugetretenen sehr hohen und einflußreichen Persönlichkeit die et 
was überraschende Entgegnung: ,,Dann wären unsere Verluste eben 
noch größer . . .“ 
Der Chef der Militärkanzlei hatte das größte Bestreben, mich zu 
nächst aus Wien hinauszubringen — ein Bestreben, das er auch brief 
lich mehrfach wiederholte. Ich erfreute mich damals großer Popu 
larität. Tagtäglich erhielt ich Beweise dafür. Ich besaß das Ver 
trauen der Bevölkerung. Und da man zu jener Zeit in den maßgeben 
den Kreisen der öffentlichen Meinung noch einige Bedeutung beimaß, 
so war es jenen Kreisen vor allem darum zu tun, mich aus der Bann 
linie Wiens hinauszubringen. Es war wahrhaft rührend, wie besorgt 
man sich um meine Gesundheit zeigte und wie man mir speziell das 
weitabgelegene Meran für meine Wiedererstarkung als ganz besonders 
günstig anpries. Solche Exilierung lag aber nicht in meinem Sinne. 
Und es wäre wohl auch am klügsten gewesen, wenn ich dieser 
Eingebung und dem Rate einer wohl versierten Persönlichkeit ge 
folgt und justament einfach in Wien geblieben wäre. Doch die 
nicht auszutilgende, tief eingewurzelte Subordination, die jeden 
„obersten Wunsch“ als richtunggebend empfindet, verbunden mit 
dem Bedürfnis, mich den steten Fragen nach meiner Gesundheit und 
nach meiner Wiederkehr ins Feld eine Zeitlang zu entziehen, er 
zielten es, daß ich der Einladung Herrn von Wernburgs nachkam 
und ihn auf seinem Schloß Pichl im Mürztal besuchte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.