Volltext: St. Pölten (III / 1928)

Das barocke St. Pölten. 
Bon Dr. Bruno Grimschitz. 
Das architektonische Bild St. Pöltens ist barock. Das große Zeitalter der österreichischen 
Kunstgeschichte, das im 18. Jahrhundert in einer unerreichten Erhebung aller künstlerischen 
Kräfte gipfelte, hat auch der Stadt St. Pölten entscheidend das architektonische Antlitz 
geformt. Es hat mit seinen kirchlichen und profanen Bauten die Schichten früherer Stil 
perioden fast vollkommen überdeckt, so daß wenige monumentale Neste von dem hohen Alter, 
von dem großen Inhalt der Stadtgeschichte St. Pöltens zeugen. Die Plätze der Altstadt: 
der weite und offene Rathausplatz und die intimen und geschlossenen Räume des Riemer- 
und Herrenplatzes und die wichtigsten Straßenzüge der Linzer-, Wiener- und Rathausgasse: 
sie alle werden von den reichgeformten Wänden barocker Architektur gerahmt. Auf dem Rat 
haus- und Herrenplatz steigen barocke Bildsäulen hoch, von den großen Toranlagen steht 
noch das barocke Bischofstor an der Domallee. Und alle repräsentativen Jnnenräume der 
Kirchen und der Paläste von St. Pölten zeigen die reiche und glänzende Fülle der barocken 
Epoche. Kurz vor der Wende des 17. Jahrhunderts, am Ende der Türkengefahr, das 
für diese Epoche das entscheidendste Datum war, beginnt der große Aufschwung der Stadt. 
Adel, Klerus und Bürgertum formen ihr Lebensgefühl, das die engen Grenzen des mittel 
alterlichen Daseins sprengt und überbietet, architektonisch. Die ehrwürdige Chorherrenkirche 
erhält ihre barocke Jnnenausschmückung und die drei barocken Bauten der Karmeliterinnen 
und der Franziskaner und die Kirche im Stift der Englischen Fräulein entstehen neu. Das 
Rathaus am Breiten Markt wird durch eine barocke Fassadengliederung monumentalisiert 
und die vielen Paläste des Adels bringen der alten Stadt ebenso das neue Maß barocker 
Größe und Würde wie die kirchlichen Bauten. Und wie nie früher schenkt der Boden Öster 
reichs für den ungeheuren Aufschwung, für die gesteigertste Fülle der künstlerischen Aufgaben 
die schöpferischen Kräfte in der Architektur und in der Plastik, in der Malerei und im weiten 
Bezirk des Kunsthandwerks. In St. Pölten schaffen die Baumeister Jakob Prandtauer, Josef 
und Franz Munggenast und Josef Wißgrill, die Bildhauer Peter Widerin, Josef Päbel und 
Andre Gruber, die Maler Daniel Gran,, Paul Troger, Bartholomeo Altomonte, Johann 
Martin Schmidt und viele andere. Deutsche und Italiener, einheimische Meister und die 
größten Namen der kaiserlichen Residenz, die von Klerus und Adel in die Stadt gerufen 
werden. Die glänzende Vollendung der hösischen und kirchlichen Barockkunst auf dem Wiener 
Boden strahlt nach St. Pölten aus, in der dichtesten Verbindung mit dem überragenden 
Zentrum, und die künstlerische Fruchtbarkeit der bodenständigen Kräfte offenbart sich wieder 
darin, daß das übernommene Vorbild in dön bescheideneren Grenzen sich nicht nur verein 
facht und vermindert, sondern daß aus dem neuen Boden eine neue und persönliche Wand 
lung der künstlerischen Formkraft aufspringt. Der große Architekt Jakob Prandtauer ist das 
glänzendste Beispiel: beeinflußt und gefördert von der aristokratischen Kunst der Fischer und
	        
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