Volltext: St. Pölten (III / 1928)

Stadt und Stadtrecht, die geschichtliche Entwicklung. 
45 
begnügen konnten, dem fernen Stadtherrn den Treueid zu leisten, im übrigen aber nach 
eigenem besten Gewissen die Geschäfte der Gemeinde führten. Zwar werden sie noch inimer 
gewählt, doch ist ihre Bestellung an die vorherige Genehmigung landesfürstlicher Beamter 
geknüpft, die nach freiem Ermessen die Wahl anerkennen oder verwerfen. Zwar führen sie 
noch immer einen großen Teil der städtischen Verwaltung, doch sind sie an die bis ins 
Einzelne gehenden Instruktionen der Wiener Bürokratie gebunden, sind sie selbst nichts anderes 
als Beamte, ausführende Organe des staatlichen Zentralismus. 
In diesen Zusammenhang einer nach Grundsätzen der „raison" (Vernünftigkeit) 
durchgeführten allgemeinen Organisation gehören auch zwei für die zunehmende Bedeutung 
St. Pöltens bezeichnende Entscheidungen: Einmal die Erhebung zur Kreisstadt für das Viertel 
ober dem Wienerwald, dann die 1785 durch Joseph II. erfolgte Übertragung des Bischofs 
sitzes von Wiener-Neustadt nach St. Pölten. In enger Verbindung mit dieser Maßnahme 
stand die ein Jahr vorher von der Regierung verfügte Auflösung des uralten Chorherrn 
stiftes. Die Geschichte kennt keine Cäsuren. Doch bisweilen gewinnen Männer oder Ereig 
nisse eine über die unmittelbare hinausgehende, seltsam ergreifende symbolische Bedeutsamkeit. 
So mochte es den Bürgern wenig bedeutet haben, als der letzte Propst mit seinen Brüdern 
die Stadt verließ. Wir Spätere aber vermeinen den Hauch der Geschichte zu spüren, wenn 
wir bedenken, daß die Aufhebung des tausendjährigen, mit den ersten Anfängen unseres Ortes 
Altes Wienertor (von außen). 
so eng verknüpften Klosters in jene Jahre fiel, da mit dem Sturm auf die Bastille in Paris, 
mit den ersten Heldentaten des korsischen Eroberers sich dröhnend die Wende einer Weltzeit 
ankündigte, Geburt und Tod eines schicksalreichen Jahrtausends. 
Auch für die Gestaltung des Rechts und der Verfassung unserer Stadt ist der Geist des 
neuen Staates von Bedeutung geworden. Persönlicher Art waren diese wie alle Herrschafts- 
6*
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.