Volltext: St. Pölten (III / 1928)

Die finanzwirtschaftlichen Grundlagen der Stadtverwaltung. 
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Volkes. Es steht gewissermaßen in der vollen Reife und Fülle seiner Entwicklung. Österreichs 
Städtewesen, an sich jünger, ist schwächlich entwickelt, man kann sagen dünn und unreif und 
seine Stellung innerhalb des ganzen Staatsorganismus ist noch eine bestrittene. Gemeinde 
wirtschaft und Gemeindepolitik, ihr Wirkungskreis und ihre Bedürfnisse, haben 
sich noch nicht voll durchgesetzt im öffentlichen Bewußtsein des Landes, sie ent 
behren noch des allgenleinen Verständnisses und der gesicherten Geltung. Dieser Beobachtung 
scheint zu widersprechen die hochgehobene 
Stellung Wiens, welches mit so gewaltigen 
Rechten ausgestattet ist, welches eine aus 
gedehnte, eigenartige Wirtschafts- und 
Fürsorgetätigkeit zu entfalten vermag, wie 
wenig andere Städte Europas. Aber wir 
sehen doch auch, wie die Gemeindevertretung 
Wiens von Angriffen beispielloser Heftig 
keit umbrandet, wie ihre Stellung und 
Tätigkeit auch im Grundsätzlichen sehr an 
gefochten ist. Der Vorstellungswelt des 
alten Österreichers, der in den Überliefe 
rungen des habsburgischen Militär- und 
Beamtenstaates herangewachsen ist, er 
scheint Machtentfaltung eines autonomen 
Körpers eben noch immer als eine fremd 
artige, gewissermaßen widernatürliche, an 
gemaßte Sache. 
Dann aber ist Wien ein absoluter 
Sonderfall. Die übrigen Stadtgemeinden 
Österreichs sind hinter Wien nicht nur in 
ihrer Rechtsstellung weit zurück; auch an 
Kraft und Leistung bleiben sie in einem un 
geheuren Abstande, sozusagen um ein Viel 
faches des Größenunterschiedes, dahinten. 
Bestrebungen, diesen Abstand etwas auf 
zuholen, es der Hauptstadt und den deut 
schen Schwesterstädten einigermaßen gleichzutun, begegnen unüberwindlichen Schwierigkeiten, 
die in erster Linie auf wirtschaftlichem, auf siuanziellem Gebiete, sichtbar werden. Nun ist 
aber auch den österreichischen Provinzstädten aus den gänzlich geänderten Verhältnissen 
der Nachkriegszeit ein gewaltig vergrößertes Ausmaß an Verantwortung und Aufgaben er 
wachsen. Aufgaben, die zu einem gewissen Teil durch das Gesetz vorgeschrieben, zu einem 
erheblich größeren Teil aber durch die tatsächlichen Auswirkungen des Sturzes 
der alten Gewalten, durch die Wandlungen im Staatszweck und vor allem 
durch die soziale Not unserer Tage ins Leben gerufen worden sind. In diesem 
Punkte sind Österreichs Städte auch wieder in einer etwas anderen Lage als die Städte im 
Reiche. Da das Gebiet der Wohlfahrtspflege überhaupt weit weniger durch zwingende Rechts 
vorschriften geregelt ist als in Deutschland, bleibt hier um so viel mehr der Einsicht und
	        
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