Volltext: Das Verkehrswesen nach dem Kriege [34/35]

4. Lokalbahnen, Kleinbahnen und Kraftwagen. 
In Anbetracht der Riesenmatze der Kriegsausgaben und 
der sonstigen Aufwendungen, die zur Wiederherstellung der 
Wirtschaft und zur Vornahme der allerdringlichsten Bau- 
führungen notwendig sein werden, erscheint es mehr als je 
geboten, mit den staatlichen Geldern sorgsam hauszuhalten 
und nicht dringliche oder gar entbehrliche Investitionen zurück¬ 
zustellen. Zu letzteren zählen die Lokalbahnen, deren Er¬ 
bauung in parlamentarisch regierten Reichen sehr oft mit ganz 
abseits liegenden politischen Fragen verknüpft wird. Erinnern 
wir uns nur daran, daß nicht lange Zeit vor Ausbruch des 
Krieges von der damaligen österreichischen Regierung eine 
Fülle von Lokalbahnen mit freigebiger Hand über die im 
Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder ausgestreut 
worden ist. Viele Hunderte von Millionen Kronen sollten aus¬ 
gegeben werden — zumeist aus Rücksichtnahme auf andere als 
ausschließlich volkswirtschaftliche Erwägungen. Wird es doch 
nicht mehr bestritten, daß Lokalbahnen — abgesehen von ihrer 
Notwendigkeit für die Beförderung von Rohstoffen — doch 
nur in Ländern und Gegenden von intensiv entwickelter 
Wirtschaft erforderlich sind, und daß der wirtschaftliche Effekt, 
also der Bedarf einer Lokalbahn, sich „nur in Örtlich¬ 
keiten geltend machen könne, wo eine Industrie (durch 
die Eisenbahnen höherer Ordnung) bereits konzentriert und 
hoch entwickelt ist. Nur unter diesen Bedingungen wird es 
wirtschaftlich sein, die Achssracht durch die Schiene zu ersetzen: 
andernfalls ist eine Lokalbahn» weil sich für das zu investierende 
fixe Kapital nicht die erforderliche Ausnutzungsmöglichkeit 
bietet, verfrüht". Diese und ähnliche Grundsätze werden in der 
Regel zwar von den Privatbahnen, nicht aber vom Staate 
befolgt. Er entschließt sich viel leichter zum Baue von Lokal¬ 
bahnen; ihm genügen Aussichten, die die Privatbahnenver¬ 
waltung vollkommen abschrecken würden. Mit anderen Worten: 
Das Geld des Staates wird viel leichter ausgegeben, wird viel 
weniger geschützt als das der Aktionäre. Dazu kommt folgendes: 
Fast ausnahmslos erfahren durch den Bau einer Lokalbahn ge¬ 
wisse an der Trasse gelegene Interessentenkreise — Gemeinden, 
Grundbesitzer, Industrielle u. a. — eine namhafte Einkvmmens- 
und Vermögenssteigerung. Es ist daher eine anerkannte For¬ 
derung der wirtschaftlichen Gerechtigkeit, die dadurch herbei¬ 
geführte Verschiebung in der Verteilung des Volksvermögens 
durch Auslage einer entsprechenden Beitragspflicht der „Ad- 
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