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gezogen wurde. Mit der Fortdauer dieser Mächtegruppen
muß gerechnet werden, denn wenn auch kleinere Veränderungen
nicht ausgeschlossen sind, so bleiben doch die beiden Kristalli¬
sationspunkte, nämlich Deutschland und England-Frankreich
bestehen; denn nach dem Kriege entfällt zwar die Notwendigkeit
der Führung, umso größer wird aber nach den ungeheueren
Verheerungen die Notwendigkeit einer Stühe sein. Damit
hört eine Fiktion auf, an der lange festgehalten wurde. Bis
ins neunzehnte Jahrhundert hinein glaubte jeder Staat abso¬
luter Herr seines Wirtschaftslebens zu sein. Handelsverträge
mit fremden Staaten schloß er nur ausnahmsweise, und dann
nach dem Grundsätze der Gegenseitigkeit, indem von Fall zu
Fall Leistung und Gegenleistung genau abgewogen wurden.
Als die Allsgestaltung der Verkehrsmittel zu einem engeren
Warenaustausch führte, stellte man sich schließlich aus den
Standpunkt der Meistbegünstigung, der eine grundsätzlich
gleiche Behandlung der fremden Waren ohne Rücksicht auf ihr
Ursprungsland ermöglichte. Nun bietet die Meiftbegünstigungs-
klausel zu viel Vorteile, als 'daß ihre vollständige Beseitigung
wahrscheinlich ist, aber sie wird Raum gewähren müssen für
eine reichere Gliederung, sodaß enger verbündeten Staaten
eine Vorzugsbehandlung eingeräumt werden kann. Das han¬
delspolitische Schema der Zukunft wird also in seinem allge¬
meinsten Aufriß lauten: Vorzugsbehandlung für die
Verbündeten, Meistbegünstigung für die Neutralen
und Abwehr gegen die Feinde. Dabei ist aber zu be¬
achten, daß sich die Mittel der äußeren Handelspolitik nicht auf
Zolltarif und Handelsverträge beschränken, sondern in den
Frachttarifen, öffentlichen Lieferungen, gewerbepolizeilichen
Bestimmungen usw. eine sehr wesentliche Verschärfung oder
Abschwüchung erfahren können. Selbstverständlich werden auch
die im Kriege üblichen Bezeichnungen „Verbündete, Neutrale,
Feinde" im Frieden nicht verwendet werden, aber der sachliche
Gesichtspunkt wird bleiben. Eine gewisse Schwierigkeit entsteht
dabei durch die englischen Kolonien, die mit dem Mutterlande
ohnedies schon in einem Vorzugsverhältnis stehen und nun eine
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