Der Krieg ... in Wort und Bild: 42. Heft 1914/15

336 Deshalb ist man, wo nur irgend möglich, zum reinen Fernsprechbetrieb übergegangen, der sich sowohl hin¬ sichtlich der Zuverlässigkeit wie auch der Leistungsfähig¬ keit der Telegrammübermittlung dem Doppelbetrieb gegenüber als weit überlegen gezeigt hat. Die Fern- sprech- und Telegraphenabteilungen, die den verschie¬ denen Armeekorps zugeteilt sind, stellen alle erforder¬ lichen Verbindungen innerhalb ihrer Armeekorps und den Anschluß an das Armeeoberkommando her. Durch die Gliederung, ihre Ausstattung mit entsprechendem Stations- und Leitungsmaterial sowie durch das zweck¬ mäßige Bauverfahren find diese Abteilungen imstande, d'e Leitungen in der kürzesten Zeit herzustellen. Die Fernsprech- und Telegraphenapparate sowie alle zum Leitungsbau benötigten Materialien und Baugeräte werden in eigenen Materialien- und Vorratswagen mitgeführt. Der Ban der Feldleitungen erfolgt ohne Benutzung vorhandener Leitungen mitFeldkabel oder dünnem Leitungs¬ draht; dieses Draht¬ material befindet sich auf abwickelbarenTrom- meln auf dem Mate¬ rialienwagen. Die Lei¬ tungen werden,nament¬ lich beiWaldübergängen, so hoch gelegt, daß der Verkehr nicht gehindert ist. Als Auflagen dienen Bäume- und Sträucher, Mauern, Häuser usw.; nach Bedarf werden durch Anhängen von Baumhaken, oder Auf¬ stellen von Überweg- stangen, durch Einschla¬ gen von Nägeln, Haken,. Isolatoren sofort ge¬ eignete Auflagepunkte geschaffen. Fehlt es im Gelände an Punkten zum Hochlegen der Leitung, so werden Feldkabel wie Draht außerhalb der Wege auf dem Erdboden gelegt, aber so, daß der Verkehr weder gefährdet noch gestört wird. Der Bau mit Feldkabel ist bei seinem hohen Jsolationswiderstande in jedem Gelände, selbst durch Wasser, möglich, und bildet die Norm; er erfolgt meist vom Apparate-Wageu aus, geschieht aber in manchen Fällen, wenn z. B. der Wagen der gewählten Leitungs- iinie aus irgend welchen Gründen nicht folgen kann, von der Trage ans. Der dünne Leitungsdraht ist in höherem Maße verletzlich und wird daher nur zu Lei¬ tungen von geringerer Bedeutung und ganz kurzer Be¬ triebsdauer verwendet. Vorgefundene Leitungen, die uach Lage, Richtung und Zustand brauchbar find, können durch Anschalten oder Einschalten verwertet werden. Die Armee-Fernsprech- und Armee-Telegraphenabteilungen haben die Ausgabe, die Verbindung der Armeeober¬ kommandos und der obersten Heeresleitung mit den rückwärtigen Linien der Etappen- und Staatstelegraphie sicherzustellen. Den Fernsprech- und Telegraphen« Formationen im Etappengebiet fällt der weitere Ausbau der Linien, ihre Wiederherstellung und Erhaltung sowie die Aufrechterhaltung des steten Anschlusses mit dem Staatstelegraphennetz zu. Während die Feldtelegraphie Phot. E. Benninghoven, Berlin. Telephonist im Unterstände bei der Batterie nimmt die Meldungen des Beobachters entgegen. meist Feldleitungen zu vorübergehendem Gebrauch her¬ stellt und dieselben später zur weiteren Verwendung des Materials wieder abbaut, oder zerstörte Linien nur flüchtig wiederherstellt, baut die Etappentelegraphie und zum Teil auch die Armee-Fernsprechabteilung ihre Lei¬ tungen nach Art der dauernden Reichstelegraphie mit festem Gestänge aus und stellt zerstörte in dieser Art wieder her. Solche Leitungen können daher beim weiteren Fortschreiten der Operationen ohne weiteres von der Reichstelegraphie übernommen werden. Unversehrte, feste Telegraphenlinien, die für den eigenen Zweck brauchbar sind, werden natürlich benutzt, zerstörte Linien nach Möglichkeit wiederhergestellt. Die Beseitigung umfangreicherer Zerstörungen und die gründlichen Wiederherstellungsarbeiten fallen den Armee-Telegraphenabteilungen und der Etappen¬ telegraphie zu. Jedenfalls ist in all diesen Punkten bei uns das Erforder¬ liche bis ins kleinste in sorgfältiger Weise aus¬ gebaut. Nicht von allen unseren Feinden läßt sich das gleiche behaupten, und wenn man bedenkt, daß noch im Jahre 1870 vier Stunden vergingen, ehe der Armeeführer vom Ausbruch der gro¬ ßen Schlacht bei Pont-^- Mousson erfuhr, begreift man die enorme Steige¬ rung des heutigen Nach¬ richtendienstes. * * * Ein Beitrag zur englischen Kriegführung. Bei einem in deut¬ sche Kriegsgefangen¬ schaft geratenen Kor¬ poral des 11. King own Scottish Broderers-Regiment wurde ein Tagebuch vor¬ gefunden, das unter dem 20. August 1914 folgende Ein¬ tragung enthielt: „Parade, 9,30 Uhr Abmarsch zur Übung, 15 Meilen bei brennender Sonnenhitze. Furchtbar erschöpft kamen wir zurück. Um 3,15 Uhr Ansprache durch E. V. B. Fer¬ guson, der sagt, daß wir jeden Augenblick aus die Deut¬ schen stoßen können; wir brachen aus, um sie entweder heute abend oder morgen früh zu treffen; Pardon soll auf keinen Fall gegeben werden. An¬ kunft von englischer Post. Hitze unerträglich.“ Hierüber befragt gab der Korporal an, daß der Befehl, keinen Pardon zu geben, vom General Fer¬ guson, dem Kommandanten der 14. Infanterie-Brigade, gehörig zur 6. Division, gelegentlich einer Ansprache an die Truppen vor dem Zusammenstoß mit den Deutschen gegeben worden fei. Seit Monaten hallt die Presse der Gegner — vor allem die englische — vom Geschrei über die deutschen Barbaren wider, die erbarmungslos ihre Gegner niedermachten und keinen Pardon gäben. Ans der obigen Feststellung ersieht man, wer in Wahrheit barbarische Gewohnheiten in diesen mancherlei Überraschungen bringenden Krieg hineingetragen hat.

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