Volltext: Braunauer Heimatkalender 1926 (1926)

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wieder bei seinem Herrn den gewohnten Dienst, Katharina Mar¬ 
schall aber zog als Reitersmann der großen Kaiserin Maria Theresia 
mit ihrem Rekrutendetachement nach Klattau, wo der Regiments¬ 
stab lag, später nach, Lobositz und nach einigen Jahren nach Branders. 
Die junge Dragonerin war mit dem neuen Leben höchlichst zu¬ 
frieden, und Gelehrigkeit, Pünktlichkeit und Bescheidenheit hatten 
ihr bald die Liebe der Kameraden und die Zufriedenheit der Vor¬ 
gesetzten erworben. Katharina verstand es durch volle sechs Jahre, 
ihr Geschlecht zu verbergen, obwohl sie einigemale Gefahr ues, 
entdeckt zu weichten. 1 ©0 bei einem Gefechte mit einer bayrischen 
Greuzpatrouil'le, welche einem Hirtenknaben Schafe geraubt hatte 
und .deshalb von österreichischer Reiterei verfolgt wurde. Da er¬ 
hielt Katharina einen wuchtigen Säbelhieb, der sie für einige Zeit 
betäubte Sie sbttte in ein Spital gebracht Werden, Weigerte |tch 
indessen hartnäckig und erklärte, sie mühte sich schämen, wegen 
einer solchen Lappalie ein Krankenhaus aufzusuchen. Sie werde 
fidjl fcfticm. fetter auIherlen. Unb dies tat sie auch, w ofür fte i et - 
teus des Kommandos belobt wurde. Endlich1 traf sie ein Kom¬ 
mando nach Prag. Dort erfaßte sie nun mit einem Male ein gren¬ 
zenloses Heimweh. Sie wußte ja nichts von ihren Angehörigen, 
bei denen sie als verschollen galt, und wollte die alte Mutter 
wieder einmal umarmen. Da sie selbst des Schreibens unkundig 
war ließ sie sich von einem Kameraden einen Bries an die Mutter 
schreiben, der natürliche mit Johann Marschall ^ unterfertigt wurde 
und die Bitte enthielt, ihn dach in Prag zu besucheru Die Mutter 
Katharinens, welche in ständigem Verkehre mit ihrem Sohne ^ohann 
lebte, war selbstverständlich über das Schreiben verblüfft und be¬ 
fragte ihn, was es damit für eine Bewandtnis habe. Nun mußte 
er 'der bisher aus Angst, verraten zu werden, nicht gewagt yatte, 
der Schwester zu schreiben, Farbe bekennen. Die alte Frau ge¬ 
bärdete sich ganz verzweifelt und- begab sich auf das eutgste m die 
Prager Kaserne. ,,■ , S . 
Dort stürzte sie auf die Tochter zu und ließ |tch durch keine 
Bitten abhalten, das Geheimnis zu verraten. Im Nu war Das 
Regiment durch! die sonderbare Nachricht alarmiert. Der Oberst 
sandte unverweift eine Meldung an das böhmische Generalkommando, 
welches dieselbe an den Wiener Hofkriegsrat weitergab. Von hier 
aus wurde der Kaiserin „alleruntertänigster Berichts erstattet. 
Wenige Tage nachher kam der Allerhöchste Beseht, ,,Ka.harma 
Marschall sey unter Begleitung eines Korporalen und zweyer Ka¬ 
meraden mit dem von ihr gerittenen Pferde und der vollen Aus¬ 
rüstung nach Wien zu schicken, um Ihrer Maiestat vorgestellt zu 
(Derben ^ 
Das junge Bauernmädchen rückte daraufhin als schmucker Dra¬ 
goner in die Residenz ab und wurde der Kaiserin und deren Sohn 
>set in Schönbrunn vorgeführt. Sie wurde hul'dreiG empfangen 
und mußte sich; erst im Reiten und dann im Säbelfechten produ¬ 
zieren. Die Kaiserin war von den Leistungen sehr entzückt, befahl 
aber, dem Mädchen den Abschied zu geben. Hiebei händigte sie
	        
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