Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Lobositz. 
Bearbeitet von 
Dr. Friedrich Lederer, Lobositz. 
LJie älteste uns zugängliche und verläßliche Quelle 
über die Geschichte der Juden in Lobositz (c. Lovo- 
sice) sind die beiden noch heute beim Bezirksgerichte 
L. in Verwahrung befindlichen, ausdrücklich als „Ju¬ 
dengrundbuch" bezeichneten Lederbände, deren ur¬ 
sprüngliche Bestimmung allerdings nicht die eines 
Grundbuches im heutigen Sinne war, sondern die der 
strengen Evidenz über die richtige Abfuhr jener Ab¬ 
gaben dienen sollten, welche von den jüdischen An¬ 
siedlern an die Herrschaft für die Überlassung der 
Baugründe in dem noch heute inoffiziell als „Juden- 
sladt66 bezeichneten Stadtteil zu zahlen waren. 
Diese Judenstadt, um den jetzt amtlich als „Brun¬ 
nenplatzbezeichneten, mit einem öffentlichen Brun¬ 
nen versehenen, etwas abschüssigen Platz gruppiert, 
besteht aus 17 ailten Häusern, die sich von den übri¬ 
gen Stadthäusern nicht nur durch ihre altertümliche 
Bauweise, sondern auch heute noch durch die offi¬ 
zielle Bezeichnung im jetzigen Grundbuche als „Ju- 
denhaus" und die Numerierung mit den römischen 
Ziffern I—XVII unterscheiden, liegt unmittelbar ge¬ 
genüber dem städtischen Rathause und nur durch die 
zur Elbe führende Überfuhrstraße von dem der 
Herrschaft Schwarzenberg gehörigen, mitten in der 
Stadt gelegenen Meierhof getrennt. Zum Marktplatz 
zu wird sie begrenzt durch das große, der Firma M. 
Gläßner & Söhne gehörige zweiflügelige Haus, nach 
unten gegen den Modelbach durch die jetzt still¬ 
gelegte Lederfabrik der Firma Paul Müller. An der 
unteren östlichen Ecke dieses Stadtteiles und an der 
Überfuhrstraße befindet sich die Synagoge, ein vier¬ 
eckiger, fast freistehender Bau ohne architektonische 
Besonderheiten; an der westlichen Seite steht das der 
K. G. gehörige einstöckige Haus mit einer Winterbet¬ 
stube und der Wohnung für Rabbiner und Gemeinde¬ 
diener. Die Synagoge besteht etwa 200 Jahre, ein be¬ 
stimmtes Jahr ihrer Entstehung ist weder im Juden- 
grundbuche noch sonstwo angeführt. Um 1800 wurde 
sie nach einem Brande wieder hergestellt und kurz vor 
dem Kriege 1914-—1918 im Innern und etwa 1924 
auch von außen renoviert. 
Nach der mündlichen Überlieferung solí die hiesige 
Judenansiedlung dadurch entstanden sein, daß die aus 
der nachbarlichen Bischofstadt Leitmeritz ver¬ 
triebenen dortigen Juden mit zwei Torarollen und 
ihren Tempelgeräten sich nach L. wandten und hier 
ansiedelten. Eine quellenmäßige Bestätigung dieses 
Berichtes war aber nicht zu finden. 
Im Grundbuche I ist bloß angegeben, daß die „Ju- 
den-Schuel66 (wahrscheinlich der Baugrund) am 12. 
März 1704 von der Herrschaft um 55 Gulden „der Lo- 
bositzer Judenschaft vor Ihrer Gemeinde" verkauft 
wurde. 
Einige von den seinerzeitigen Judenhäusern sind 
heute unbewohnt und werden als Magazine verwen¬ 
det, einige andere enthalten Arbeiterwohnungen. 
Das Register zum Judengrundbuoh I führt den Titel: 
Register deren in diesem neu ausgerichtem Grundt 
Buch beschriebenen Juden Häuszern 6 und enthält die 
folgenden ursprünglichen Eintragungen der Haus¬ 
nummern, der ersten Hauserwerber und der Folien in 
diesem Buche: 
„3&uu> 1702 
1 Qoaáúm (Salamon 
goL: 1 
2 ©ineriti) (Salomon 
12 
3 ®aotb Salomon 
23 
4 (Sara (Sájmutin SBittib 
33 
5 üftoe 
44 
G ®aotb SDÎotjfeê 
55 
7 Senbij,(Salomon 
66 
8 $acob Seit 
77 
9 (Simon $ofe;pí) 
88 
10 $ie $nben (Segnet 
100. 
Die späteren Eintragungen werden im folgenden 
Berichte berücksichtigt. 
Die Kauf- und H aus vor Schreibungen" über die 
ursprünglichen neun Judenhäuser stammen durch¬ 
wegs aus dem J. 1702 und weisen fast immer den glei¬ 
chen Text auf, weshalb hier nur der erste im Auszuge 
angeführt sei: 
„Kauf- und Hausvorschreibung des Juden Joachim 
Salomon zu Lowoszitz betreffend 
Der Vertrag ist datiert vom 23. Feb er 1702, der 
Kaufpreis beträgt 220 fl. und sollte an die Herr¬ 
schaft, vertreten durch den „fürstlich Marggraf Baa- 
disschen vormundschaftlichen Kammer Rath und 
Oberbeambten Titl. Herrn Franz Antoni Pauern und 
des fürstlichen Rendtmeisters Herrn Heinrich Max 
Novotni" bezahlt und die Zahlungen in dieses Buch 
eingetragen werden, „wobey noch zu be¬ 
merken kommet, dass wenn über Kurz oder Lang, 
einer von seinen Söhnen oder Töchtermännern solches 
Haus uieder käuflich annehmen und besitzen wollte, 
solches durch eine neue Vor Schreibung eingetragen 
und Bekräfftiget, auch das Hausz Beständig in gutem 
wesentlichem Bau erhalten werden müsse.6' 
Dieses Haus Nr. I ging 1734 an den jüngsten Sohn 
Salomon Joachim, von diesem 1734 an dessen Bruder 
Benedict (Benedix) Salomon über, der den Vorderteil 
in der Wohnung, Gewölb und was er sich sonst nicht 
ausdrücklich vorbehalten hat, „seiner einzigen 
Schnur Röszel" überließ, „welche seinen Sohn Joseph 
Benedix geheyrathet hat". Nach Benedict Salomon 
übernahm dessen Sohn Joseph Benedict den hintern 
Hausteil 1762, „sodaß er bei einstiger Anforderung 
seines Bruders Abrahams Anteil, dermahlen in Am¬ 
sterdam, in Richtigkeit bringen und ihm damit (?) 
contendieren solle". 
Auf dieses Haus bezieht sich weiter ein Kontrakt 
zwischen Aron Löwi, hochfürstlichem Schutzjuden 
aus W e 1 e m i n, und Josef Benedix (oder Launer), 
fürstlichem Schutzjuden aus L., über ein Darlehen von 
700 fl., geschehen in d. (?) Leipa bei dem Landes-De- 
Lovosice 1 
383 
Lobositz 1
	        
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